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Erfurter Zoll kontrollierte in der Region 482 Baufirmen im ersten Halbjahr 2021

IG BAU fordert „höheren Kontroll-Druck“ in Erfurt

zoll
13.01.2022
Aktuell

Unsaubere Praktikenin Erfurt im Visier: Das Hauptzollamt Erfurt hat im ersten Halbjahr des  vergangenen Jahres 1.494 Arbeitgeber in der Region kontrolliert.

Im Fokus der Fahnder dabei: illegale Beschäftigung, Sozialbetrug und Verstöße gegen geltende Mindestlöhne.

Allein Baufirmen bekamen 482 Mal Besuch von der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zolls, wie die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt mitteilt. Die IG BAU beruft sich dabei auf eine Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Beate Müller-Gemmeke (Grüne).


Demnach hatten es die Erfurter Zöllner häufig mit Tricksereien beim Lohn zu tun: In der ersten Jahreshälfte leiteten die Beamten in der gesamten Region 861 Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten ein etwa weil Mindestlöhne unterschritten, gar nicht oder zu spät gezahlt wurden. Hierbei wurden Bußgelder in Höhe von rund einer Million Euro verhängt davon 280.000 Euro gegen Bauunternehmen.


„Die Zahlen zeigen, dass es viele Firmen mit der Bezahlung ihrer Beschäftigten nicht so genau nehmen. Sowohl bei den speziellen Branchenmindestlöhnen wie auf dem Bauals auch beim gesetzlichen Mindestlohn“, kritisiert Ralf Eckardt, Bezirksvorsitzenderder IG BAU Erfurt. Der Gewerkschafter begrüßt die Pläne der Ampel-Koalition in Berlin, das gesetzliche Lohn-Minimum auf 12 Euro pro Stunde anzuheben. Allein in Erfurt dürften damit die Einkommen tausender Menschen spürbar steigen.

Allerdings müsse der Staat sicherstellen, dass sich die Firmen auch an die Vorschriften hieltenund für einen „höheren Kontroll-Druck“ sorgen. Das gelinge jedoch nur, wenn die FKS beimHauptzollamt Erfurt personell erheblich aufgestockt werde.
„Klettert der gesetzliche Mindestlohn auf 12 Euro und bleibt es gleichzeitig bei der bisherigen  Kontrollquote, ist die Gefahr für Arbeitgeber, bei Mindestlohnverstößen  ertappt zu werden,verschwindend gering. Da muss man dann schon von reinen ,Placebo-Kontrollen‘ sprechen“,so Eckardt.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts würden in Deutschland7,2 Millionen Beschäftigte von einer Mindestlohn-Erhöhung auf 12 Europrofitieren. „Das sind7,2 Millionen Lohntüten, auf die der Staat zusätzlich einen Blick werfen muss“, betont Eckardt.
Die IG BAU kritsiert zudem ein „staatliches Zuständigkeits-Wirrwarr“ bei den Kontrollen. Das führe häufig dazu, dass Missstände ungeahndet blieben. So seien etwa die  Arbeitsschutzbehörden, die über die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften und Standards beiUnterkünften ausländischer Beschäftigter wachen, personell unterbesetzt. Außerdem hättensie im Zuge der Pandemie weitere Aufgaben wie die Kontrolle der Homeoffice-Verordnung bekommen. Die FKS des Zolls hingegen kümmere sich um die Prüfung von Lohn- oderSteuerabrechnungen. Bei Verstößen verhänge die FKS zwar Sanktionen gegen die Firmen.Bauarbeiter müssten sich dann aber um den Lohn, um den sie geprellt wurden, selbstkümmern.


„Perspektivisch brauchen wir eine staatliche Arbeitsinspektion, die als übergeordnete Behördedie Einhaltung der Arbeitnehmerrechte und Sozialvorschriften sicherstellt“, fordert Eckardt.
Eine solche „Arbeitskontrolle aus einer Hand“ habe sich etwa in Frankreich und Spanienbewährt. Entscheidend sei hierbei, die Tarifpartner zu beteiligen: „Wenn Gewerkschaften oderBetriebsräte Hinweise an die Arbeitsinspektion herantragen, muss dies ebenfalls zuErmittlungen führen“, so Eckardt. Außerdem müsse die Behörde etwa bei Mindestlohnverstößen Nachzahlungen an Beschäftigte veranlassen dürfen.

Die IG BAU setzt sich zugleich dafür ein, auffällig gewordene Firmen von der öffentlichen  Auftragsvergabe auszuschließen. „Wir brauchen ein ,Sündenregister‘ für Schwarzarbeit eineöffentliche Kartei, in der die Betriebe aufgelistet werden, deren Geschäftsmodell auf illegaler  Beschäftigung und Lohn-Prellerei beruht“, unterstreicht Eckardt.